… denke ich und muss schmunzeln, da diese Aussage aus Werbespot für ein bayrischen Weissbier „….. „ eine Art running Gag für meinen Mann und mich ist, wenn wir uns für eine Situation „fremdschämen“. Klar gibt es jede Menge Mottos, Themen und Stilrichtungen im Yoga. Jeder Lehrer, jedes Studio versucht einen Trend aufzunehmen und für sich auszuarbeiten. Daher liege ich nun hier als Teilnehmer auf der ökologisch einwandfreien, 100 Prozentigen Baumwolldecke und nehme am Kurs „Aroma Yin Yoga mit Duftreise“ teil. Acht Teilnehmer sind es, die sich am Sonntag morgen aufgemacht haben, um sich eine kleine Auszeit zu gönnen. Die Kursleiterin ist mir bekannt, ich bin also einigermaßen vorbereitet…. denke ich. Mit Verspätung beginnt der Kurs, ein wuseliger Haufen Teilnehmerinnen spricht sich noch ab, wie wir am besten zur Seminarleitung liegen sollten. Auf die Matten, fertig los…. jeder darf seine linke Hand einmal aufhalten und die Duftreise beginnt. Ein paar Tropfen Aromaöl werden in die Teilnehmerhand geträufelt und kurz erzählt, das die Grapefruittropfen auf den Körper wirken… beruhigen… dann kann die Yin Stunde ja losgehen. Der Diffusor mit Branding des Herstellers und der Vertriebsfirma blubbert und räuchert vor sich hin…. die Musik ist teilweise auch über diese Supermaschine gesteuert und gibt in regelmäßigen Abständen angenehme Gongklänge von sich… Zeit sich zu entspannen… die erste Yin Asana, das Reh lässt einige Nicht-Yogis unter den Teilnehmern schon leichte Panik ins Gesicht steigen… bin ich hier richtig?…. andere Seite… die Kursleiterin bemüht sich alle Teilnehmer in umliegende Decken einzupacken, gewollt oder nicht…
Hauptsache kuschelig und bitte nun mal endlich entspannen…..
GOOOOOONNNNNNGGGGGG, ein irre lautes Klingen einer lieblos angeschlagenen Klangschale dröhnt mir in mein linkes, dann in mein rechtes Ohr…. AUUUUAAA, denke ich und hoffe, das war nur ein einmaliges Erlebnis von Klang und Yoga…. leider werde ich im Laufe der Stunde eines Besseren belehrt… in absoluter Abwehrhaltung und Angst um mein Hörvermögen bemerkte ich, wie ich das Entfernen und Näherkommen dieser Klangschale aufmerksam verfolge, um mich auf diesen unangenehmen Teil des Workshopes einstellen zu können. GOOOOONGGGGG, oh, nun ist ihr der Schlegel wohl etwas aus der Hand gerutscht, von Feingefühl im Anschlag keine Spur. Was wohl die Studioinhaberin gerade denkt, die auch in dieser Runde liegt und ausgebildete Klangtherapeutin ist.
Nun noch mal schnell strecken und dann – ohne irgendeine fachkundliche Anleitung – in den Pflug, für mindestens drei Minuten, ist ja klar, ist ja Yin… „nehmt euch doch ein Bolster, um den Rücken zu stützen…“ Ich bolster mich mal ab, denke ich und weiss genau, dass in diesem Punkt die Stunde für mich erledigt ist, da ich entsetzt bin, das mindestens die Hälfte der Teilnehmer nicht richtig in diese Position reingeführt worden sind…. Aua, denke ich und versuche mich zu entspannen. Ein Schlurren stört mich dabei. Die Duft-Yin-Frau schlürrt ihren Diffusor mit einer überlangen Verlängerungsschnur zwischen die Teilnehmer und „fächert“ die vernebelte Luft in Richtung der Teilnehmer.
„Diese Aromaölmischung ist von der Firma, mit der ich zusammenarbeite extra zusammengestellt worden. Es enthält Sandelholz, Nelke…. blabla und bla… Dieser Duft regeneriert und repariert das Gehirn…. !“ Oh, ich muss dieses Öl unbedingt haben, denke ich und bin endgültig raus aus der Entspannung. Ich muss an die Sendung „Verstehen Sie Spaß“ denken, bei der Marco Riva als gerade aus Indien wiedergekehrter Guru eine Kurs gibt, „wir gebähren die Erde“. Marco Riva sitz auf einer Gymnastikkugel und sieht aus, wie ein Mistkäfer, der versucht seine Kugel zusammenzuhalten. Einige Teilnehmer in diesem Film machen mit, andere haben diesen Scherz schon längst durchschaut und lachten sich bereits ins Fäustchen. Wo ist hier die Kamera, denke ich….. und bin langsam etwas verzweifelt.
Muss man alles Ernst nehmen? Muss man jeden Trend mitmachen? Muss man vor allem alles mit sich machen lassen? Ich denke, es ist gut, sich verschiedenen Lehrer anzuschauen, sich inspirieren zu lassen, für sich etwas aus dieser Lehre mitzunehmen. Ganz wichtig – eigentlich am wichtigsten finde ich aber, die Art und Weise, die ein Lehrer fachlich fundiertes Yoga an seine Schüler weiter gibt. Authentisch und mit Ehrfurcht vor dem Körper und der Persönlichkeit des Schülers.
„Theoretisch kann ich praktisch alles“, habe ich als Juleklapp-Geschenk als Schild bekommen. Sicherlich muss auch ich mir ein paar Themen für meinen Yogaunterricht konzipieren und planen, ich würde aber niemals etwas versuchen zu unterrichten, was ich selbst nicht kann, oder etwas, was ich nicht gelernt habe.
Zurück zur Duftreise…. Nachdem Pflug kam ganz schnell noch mal der Sattle mit zwei Bolster im Rücken, so dass ich mich wieder an einen Käfer erinnert fühlte. Die Diffusorreise ging weiter von Teilnehmer zu Teilnehmer, ein neuer Tropfen 100% ätherisches Öl wurde in unsere Hand geträufelt…. Thema Stressbewältigung, wieder eine ganz tolle Mischung der besagten Firma….
Ich will nur noch meinen Abschluss Smoothie und hier raus….. Die Stunde wird etwas verlängert, da wir ja auch verspätet angefangen haben…. nach einigen weiteren Asanas… die Endentspannung .. endlich….
Die Kursleiterin gibt eine kurze Ansage: … nun mal die Stirn entspannen und dann den Kiefer… dann die Entspannung weiter nach unten sinken lassen… „ Sie verschwindet in den unteren Bereich des Studios und bereitet, nicht gerade leise, die Abschluss-Smoothies zu… Wir bleiben brav auf unseren Decken liegen und warten eher unentspannt darauf, aus dieser Shavasasa wieder rausgeholt zu werden… Fehlanzeige. Einige stehen selbstständig auf und versuchen schon einmal Decken und Kissen zusammenzutragen, der nächste Kurs wartet ja schon vor der Tür. Aufgrund der zahlreichen Anmeldungen wurde ein zweiter hinten rangehängt.
„Ihr sollt euch doch entspannen, flötet die Kursleiterin mit einem Schwung grüner Smoothies in der Hand. „Ich kann leider nicht alle auf einmal tragen,“, und verschwindet mit ihrem Dauerlächeln (auch ein Yogaphänomen) wieder nach unten…
Ich habe den Smoothie nicht wirklich „mit Erfurcht“ getrunken, ich wollte einfach nur hier raus und habe mich sehr schnell, ohne das Werbematerial der Ölfirma einzustecken, aus dem Staub gemacht. Die Lehrerin verabschiedet mich mit Bedauern….
Im Auto sitzend sehe ich eine mir bekannte Yogalehrerin aus dem Nachbardorf, von der ich weiss, dass Sie genau diese Ölfirma auch vertritt. Ich muss schmunzeln, stelle mir vor, wie sie auf der Matte liegt, halb taub gegoongt und merkt, wie sich durch das Öl ihr „Gehirn regeneriert und repariert“.
Text/Foto: Ilka Koch