Interview mit Sabine Bode

YSM: Wir wurden durch ihr neues Buch „Lassen Sie mich durch, ich muss zum Yoga“ mit dem Untertitel „Achtsames Ausatmen für Postjugendliche mit aufgehendem Mittelfinger im Morgenrot“ auf ihr neuestes Buch aufmerksam. Der vorheriges Buch mit dem Titel „Älter werden ist voll sexy, man stöhnt mehr“, brachte Ihnen die Auszeichnung Spiegel Bestseller-Autorin. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung? Wie wichtig sind Ihnen Preise und Anerkennung? Nehmen Sie an Comedy-Wettbewerben mit ihrem Bühnenprogramm teil?

Einen Bestseller zu schreiben, das ist natürlich der Traum eines jeden Schreibenden. Ich hätte nie damit gerechnet, da ich ja, wenn überhaupt, allenfalls einen kleinen regionalen Bekanntheitsgrad habe. Von daher war die Freude natürlich groß. Im Comedy-Bereich habe ich allerdings nicht die Ambitionen, das nächste große Ding zu werden bzw. weiß auch, dass das nicht passieren wird … vor allem, weil ich die Deadlines für die ganzen Wettbewerbe immer verpasse. Viele richten sich außerdem an Newcomer bis 35 o. Ä., da falle ich auch durchs Raster. Ich habe ja mit diesen Sachen verhältnismäßig spät angefangen, von daher bin ich froh, jetzt da zu sein, wo ich bin. Es muss nicht immer alles schneller, höher, weiter, bekannter, jünger, entspannter… das ist ja irgendwie auch die Message meiner Bücher. Warum muss man 24 Stunden lang glücklich, innerlich erleuchtet und seelengesandstrahlt sein – reicht zufrieden nicht aus? Ich sage immer: Wenn das Leben Dir Zitronen gibt, dann iss Zitronen.

 

YSM: Ist dies Buch für Yogis geeignet oder vergrämen Sie damit die Yogawelt und die Personen, die sich beruflich, wie auch privat mit Achtsamkeit beschäftigen?

Ich habe überhaupt nichts gegen Yoga, habe es selbst lange Zeit praktiziert. Was ich aufs Korn nehme, ist die Tatsache, dass der Wellness-Sektor zunehmend die Yoga-Lehre weg von der inneren Einkehr zum hippen Trendsport für Stressgeplagte (und das sind wir ja alle) umstylt: Da gibt es Esel-Yoga, Kickboxing-Yoga oder Yoga für postklimakterische Postbeamtinnen mit Nackenverspannung. Wenn der Sonnengruß nur noch als bauchstraffende Übung geturnt wird, das richtige Outfit mehr kostet als der ganze Kurs und irgendwelche Business-Heinis zwischen ihren Meetings kurz auf die Matte hüpfen, um danach wieder ihre Profite maximieren können, ist das sicher nicht im Sinne des Erfinders… Es geht im Übrigen auch gar nicht vorranging um Yoga, sondern um eine ganze Entstressungs-Industrie, die uns vor allem eins einbringt: noch mehr Stress. Das geht von der Aufräumexpertin über das Daily Journal bis hin zum Private Spa, in dem man vor lauter Gimmicks gar nicht erst zur Ruhe kommt. Ich frage mich manchmal: Wie soll ich denn inneren Frieden finden, wenn ich nicht mal weiß, wo mein rechter Hausschuh ist?

 

YSM: Was ist etwas, das Sie unbedingt noch ausprobieren möchten? Bitte wählen Sie bitte aus:

  1. Anwendung von Netti Kännchen (draußen nur Kännchen),
  2. Gebrauch von einem Yoni Ei (ohne Überraschungsinhalt)
  3. in Trance Häkeln bei Mondschein (so Angebot vorhanden!)

Ich wähle das Angebot c, (aber nur mit bei Sonnenaufgang gepflückter Bio-Baumwolle…)

 

YSM: Das vorherige Buch von Ihnen „Älterwerden ist voll sexy, man stöhnt viel mehr“ brachte Ihnen die Auszeichnung „Spiegel Bestsellerautorin“. Es ist unserer Meinung nach wie eine sieben Tage Comedyshow am Stück. Woher nehmen Sie ihre ganzen Eindrücke?

Ich überlege nicht bewusst, worüber ich schreiben könnte, sondern ich zähle zu jenen „hypersensiblen“ Menschen, die immer alle Eindrücke ungefiltert aufnehmen. Wenn ich also im Café sitze, kriege ich immer 10 Gespräche um mich herum gleichzeitig mit. Das ist ein wenig anstrengend, aber der Vorteil ist, dass meine Antennen überall ausgefahren sind und mir nie die Ideen ausgehen. Ich muss sie nur aufschreiben (ich vergesse leider schnell) und irgendwann dann wieder aus der Schublade kramen … wenn auch Jahre später.

 

YSM: Muss man bei Ihnen im Freundeskreis vorsichtig sein, um nicht im nächsten Buch zu erscheinen, oder hat ihr näheres Umfeld eine Art „Welpenschutz“?

Ha, in meinem Freundeskreis höre ich oft den Satz „Das schreibst du aber jetzt nicht, oder?“. Ich schreibe allerdings nur selten über real existierende Menschen aus meinem direkten Umfeld, und wenn, dann frage ich sie vorher. Dafür gibt es einige Bäckereien und Gartencenter, die ich vielleicht besser meiden sollte … Aber da werde ich ja gerade dank Maskenpflicht nicht erkannt! Eine Ausnahme ist die Beschreibung meiner ehemaligen Mathe-Lehrerin in meinem ersten Buch. Die war so krass drauf, dass ich sie einfach vorführen musste. Obwohl der Name nicht stimmte, habe ich Post von einem ehemaligen Schüler von ihr bekommen, der sie sofort wiedererkannt hat und heute noch von ihr traumatisiert ist.

 

YSM: Verraten Sie uns, wie lange der Weg von der ersten Buchidee bis zum fertigen Exemplar dauert? Sie lassen die Leser, ja ein wenig Anteil am Gestalten des Buchinhaltes nehmen, in dem Sie ihren Dialog mit ihrer Lektorin in der Anfangs- und Schlussphase mitaufgenommen haben.

Was die Schreibzeit betrifft, so muss man auf jeden Fall einen langen Atem haben. Mein erstes Buch lag ein Jahr beim Verlag, bevor man sich dort zurückmeldete. Das zweite hat mit dem Umweg über eine Agentur fast zwei Jahre gedauert. Das Aktuelle ging dann etwas schneller: Die grobe Idee stand schon länger fast, aber vom Vertrag bis zur Manuskriptabgabe waren es dann nur knappe fünf Monate. Was den Einstiegs-Dialog betrifft, so sollte das nur eine etwas andere Art des Buchbeginns sein und nicht das übliche „Ich fasse mal schnell zusammen, worum’s hier geht“-Vorwort. Wie vieles in dem Buch ist das natürlich maßlos übertrieben … in Wahrheit gehe ich nicht jeden Freitag zum kollektiven Grünkohl-Smoothie-Gurgeln… sondern mittwochs!

 

YSM: In der Autorinnen Beschreibung findet man bei Ihnen der Verweis auf:„ehemalige Autorin von Harald Schmidt, Anke Engelke, Hape Kerkeling“.
Bitte erklären Sie unseren Lesern, wie man „unerkannt“ Witze und Sketche für Männer schreiben kann, ohne aufzufliegen?

Das geht ganz einfach, das Konzept dieser Shows ist bzw. war früher, dass die Künstler sich aus einem Pool eingereichter Gags bedient haben, die zuvor von einem Autorenteam, zu dem sowohl interne als auch externe Mitarbeiter*innen gehörten, eingereicht wurden. Von wem der Gag stammt, weiß der Vortragende also gar nicht, wenn er seine Shortlist erstellt. Fun Fact: vor vielen Jahren gab es mal Wirbel um einen angeblich politisch nicht korrekten Gag. Der Comedian hatte ihn selbst ausgesucht, und als es Wellen schlug, hat er sich davon distanziert, hat gefragt, von wem der ist und gesagt: „Was? Seit wann lassen wir denn auch Frauen schreiben?“ Das kann man sich nicht ausdenken! Ich habe die Gegebenheit später in meinem Bühnenprogramm verarbeitet, als späte Rache sozusagen…

 

YSM: Wie sehen sie ihre Zeit als Ghostwriter, trauern Sie ihr nach?

Wenn man mal von Fällen wie dem obigen absieht, war es eine wirklich coole Zeit, in der irgendwie alles möglich schien. Jahrelang hatte ich all diese Sendungen nur bewundernd angeschaut. Irgendwann habe ich einfach ganz frech bei der Harald Schmidt Show angerufen, bin prompt eingestellt worden und kurz darauf schrieb ich für ein halbes Dutzend Comedy-Formate. Das Schöne war, dass man ständig über alle News des Tages informiert war und auch viele schräge Schlagzeilen verbraten durfte. Der Nachteil: Man hat jeden Tag sehr viel gutes Zeug für die Tonne geliefert.

 

YSM: Weshalb haben Sie sich entschieden als FRAU BODE ein eigenes Programm zu starten? Was war der Auslöser?

Ich wurde 2011 einmal für einen Leseabend angefragt. Zunächst war ich skeptisch, ich hatte ja kein eigenes Material, sondern nur Texte, die ich für andere geschrieben hatte. Also habe ich was aus dem Boden gestampft und vorgetragen. Es war nur ein kleiner Rahmen mit zwei Händen voll Zuschauern, aber ich habe gemerkt: Da geht noch was. Dann habe ich weiter in Kneipen gelesen, eine eigene Lese-Show auf die Beine gestellt und später mit einem Kollegen zusammen eine regelmäßige Late-Night-Bühne veranstaltet. Wir haben eigene Texte gelesen, Spökes gemacht und Gäste eingeladen. Irgendwann wollte ich vom Lesen weg in Richtung Comedy, und so habe ich 2016 mein erstes Soloprogramm gemacht.

 

YSM: Sie haben ihren Fokus auf ihre eigenen Bühnenprogramm und ihre Bücher gesetzt.  Was machen Sie in der Corona-Krise? In ihrem aktuellen Buch geben Sie ja bereits Tipps, wie man sich sein Büro, wie ein Homeoffice einrichten lassen kann. Sollte man nicht zu den Auserwählten gehören, die zuhause arbeiten dürfen. Können Sie zuhause arbeiten, ohne ganz zu verzweifeln? Ein Zettel mit „ich leg mich NICHT nochmal hin“, reicht ja leider nicht immer, um sich selbst zu motivieren.

Die Krise trifft mich sozusagen nur zu 50 Prozent: Die Auftritte fallen weg, und damit der ganze „aufregende“ Teil meiner Arbeit. Das Schreiben läuft ganz normal weiter wie bisher, nur dass das gesellige Brainstormen mit Freunden in der Kneipe wegfällt und ich unfreiwillig jetzt auch noch zur Lehrerin mutiert bin. Homeoffice und Homeschooling, das kann schon mal eine sehr explosive Mischung sein. Da muss man dann schon mal „DANGER! KEEP OUT!!!“-Schilder an die Tür kleben … Aber auch wenn ich in dem Buch das Homeoffice als die Hölle auf Erden schildere, weil man quasi gleichzeitig zoomt und swiffert: Unterm Strich bin ich doch froh, dass ich keinen Nine-to-Five-Bürojob neben Eiersalat-Elke und Kettenraucher-Kalle habe und mich jederzeit mit Kaffee und Keksen in den Garten hocken kann. Das mache ich mir immer wieder klar, wenn mal wieder bei der Manuskriptkorrektur nebenan die Waschmaschine ausläuft.

  

YSM: Gehen Sie den „online“ Weg und bieten ihre Shows per Zoom etc. an?

Nein, das liegt mir irgendwie nicht. Ich habe ein paar Online-Talks gemacht, aber mich in die Küche zu setzen und Sachen aus meinem Programm zu performen, würde, so glaube ich, eher nach hinten losgehen. Aber viele Kolleg*innen sind da gerade sehr kreativ, und das bewundere ich sehr.

 

YSM: Wie sehen Sie die Entwicklung der Theater und sonstigen Kulturinstitutionen?

Was wünschen Sie sich für ihr Programm?

Es ist natürlich nicht schön, zu sehen, dass viele Opernsänger jetzt Wasserkisten ausliefern und kleine Theater quasi vor dem Aus stehen, während in der Autoindustrie die Leute eng an eng am Fließband stehen. Für mich war es insofern blöd, als dass ich im März 2020 Premiere mit meinem Programm hatte, und 14 Tage später der Kulturbetrieb stillstand, so dass alle geplanten Termine entweder verschoben oder abgesagt wurden. Wenn ich jetzt wieder auftreten würde, müsste ich mir den kompletten Text wieder von vorn draufschaffen. Aber im Gegensatz zu vielen anderen, die nur von der Bühne leben, stehe ich mich deutlich besser, da ich ja noch die Bücher habe. Ich wünsche mir natürlich, dass es bald wieder Live-Kultur gibt. Und wenn nicht, bleibe ich positiv: Wenn ich dann eines Tages wieder auftreten kann, komme ich wenigstens überall günstig hin – mit dem Seniorenticket.

 

YSM: Welche Frage wurde Ihnen noch nie in einem Interview gestellt?

Genau diese!

YSM: Herzlichen Dank für das Interview!

 

Das Interview mit Sabine Bode führte: Ilka Koch

Fotos: Olli Haas

Cover: Goldmann Verlag

 

Lassen Sie mich durch, ich muss zum Yoga

ISBN 978-3-442-31625-0
Verlag: Goldmann